Nach 32 Jahren wieder an Olympia
Als Liechtenstein 1936 in Berlin erstmals an Olympischen Sommerspielen teilnahm, war neben drei Schützen und zwei Leichtathleten mit Adolf Schreiber auch ein Radfahrer dabei. Durch einen Massensturz kurz vor dem Ziel war eine reguläre Ermittlung…
Als Liechtenstein 1936 in Berlin erstmals an Olympischen Sommerspielen teilnahm, war neben drei Schützen und zwei Leichtathleten mit Adolf Schreiber auch ein Radfahrer dabei. Durch einen Massensturz kurz vor dem Ziel war eine reguläre Ermittlung der Plätze nicht möglich. Alois Lampert (Rang 30) und Ewald Hasler (Rang 43) sorgten 1952 in Helsinki für die ersten Klassierungen von Liechtensteiner Radsportlern an Olympischen Sommerspielen.
Gediegene Feier und fürstliche Gratulation
Adolf Heeb, Olympiateilnehmer 1960 in Rom, weiss noch interessante Episoden zu erzählen. Zusammen mit NOK-Präsident Hans Ritter (heute Liechtenstein Olympic Committee LOC), dem Sekretär Xaver Frick sowie seinem Masseur Hans Hobi fuhr er mit dem Kleinwagen «Morris» nach Rom. Eine lange und vor allem heisse Reise, gab es damals noch keine Klimaanlagen. Das Strassenrennen verlief gut, der Liechtensteiner kam in der Spitzengruppe ins Ziel. Adolf Heeb belegte Rang 11 und damit die beste Klassierung eines Liechtensteiner Athleten. Kurz darauf trat er bereits wieder die Heimreise mit dem Zug an. Von Rom sah er kaum etwas. «Das habe ich später mit meiner Frau Inge nachgeholt», lacht er. Im Sternen in Ruggell empfing das NOK die Olympioniken. «Die gediegene Feier freute mich ebenso wie das persönliche Gra tulationsschreiben, das ich von Fürst Franz Josef II. erhielt», erinnert sich der Vadu-zer. Durch die Olympischen Spiele lernte der Sieger der ersten Schellenberg-Rundfahrt 1962 viele Athleten aus anderen Ländern kennen. Einige davon traf er an der Tour de l’Avenir 1962 und 1964 wieder. 1962 war er dreifacher Zweitrangierter und bester Bergfahrer. Er gehörte 1962 und 1964 dank einer Ausnahmebewilligung der Schweizer Nationalmannschaft an und war zweimal bester «Schweizer».
Letzte Vorbereitungen mit den Afrikanern
Paul Kind beendete das Strassenrennen von München auf dem 52. Rang von 180 Athleten. «Dabei gelang es mir, zusammen mit dem späteren Solosieger, dem Holländer Hennie Kuiper, ein Fluchtduo zu bilden. » Danach fuhr Kind bis zum Rennende im Feld: «Es war ein absolutes Karriere Highlight.» Unterstützt wurde er vor Ort von einem Fanclub vom Veloclub Ruggell. Als Vorbereitung trainierte er während eines Monats mit den Schweizern in St. Moritz: «Im Olympischen Dorf hatten wir aber kei-nen Kontakt mehr. Ich war auf mich allein gestellt, war auch mein eigener Mechaniker.» Mehr als eine Woche vor dem Rennen vor Ort, trainierte er zusammen mit den Afrikanern, was eine schöne Erfah-rung gewesen sei: «Ich habe sie darauf hingewiesen, nicht zu grosse Gänge zu fahren.» Bis zum Attentat – zwei Tage vor dem Olympiarennen – sei die Stimmung gut gewesen. «Wir erhielten morgens um sechs Uhr einen Anruf aus Liechtenstein. Bis dahin hatten wir nichts vom Attentat gespürt.» Danach seien sie den ganzen Tag herumgestanden. Nie mand wusste, wie es weitergehe. Schliesslich wurde das Rennen um einen Tag verschoben: «Die Olympische Stimmung war natürlich verdorben.» Mit dem Judoka Armin Büchel habe er bis zu dessen Tod und mit Hans-Jakob Schädler und den Schweizer Radfahrern Martin Steger, Xaver Kurmann, Hansruedi Keller und René Savary bis heute Kontakt.
Peter Hermann ohne Rennglück
1988 stellte Liechtenstein die bisher grösste Olympiadelegation, unter den zwölf Sportlern auch die drei Radfahrer Yvonne Ritter-Elkuch, Patrick Matt und Peter Hermann. Insgesamt einen Monat war die Delegation in Südkorea. Eine lange Zeit für Hermann, der damals bereits zweifacher Familienvater war. Er hatte drei Olympia-Einsätze, startete im 1000-Meter-Zeitfahren, im Punktefahren sowie im Strassenrennen. Über 1000 Meter fuhr der damals 25-Jährige mit einem Schnitt von 52,174 km/h mit 1:08,999 erstmals unter 69 Sekunden. Damit belegte der Schaaner den 21. Rang. Noch heute ärgert ihn das 50-km-Punktefahren. Im Sog der Besten wollte er ins Finale der zwölf stärksten Fahrer vorstossen. Genau auf diesem Rang lag er drei Wertungen vor Schluss. Doch einerseits war er falsch informiert und andererseits wurde die letzte Wertung eine Runde zu früh eingeläutet. So verpasste Hermann das Fi-nale als Dreizehnter um einen Punkt. «Dabei war ich in Hochform und nahm dem späteren Olympiasieger Wochen später beim Münchner Sechstage Rennen in einer Nacht zehn Runden ab.» Journalist Martin Frommelts Headline im Volksblatt lautete «Hermann blieb am Schluss nur der Schwarze Peter», erinnert sich Hermann noch haargenau. So musste er sich auf das Strassenrennen konzentrieren, wo er lange mit dem späteren Olympiasieger Olaf Ludwig (DDR) in einer Spitzengruppe war, die rund 20 Kilometer vor dem Ziel eingeholt wurde. Schliesslich kam es auf einer breiten Zielgeraden zum Sprint, in dem es vor Her-mann zu einem Sturz kam, womit er sich als 54. von 137 gestarteten Fahrern klassierte. Trotz seiner Enttäuschung waren die Olympischen Spiele für Peter Hermann eine schöne Erfahrung: «Ich kann jedem Sportler empfehlen, für Olympia zu kämpfen. Unsere Eltern taten alles, um uns den Sport zu ermöglichen und ich bin ihnen noch heute dankbar dafür.» Nach Olympia wurde Hermann Profi, womit es beim einzigen Olympiastart blieb, da Profis damals noch nicht für Olympia zugelassen waren. Sein Olym-piarad «Colnago Master» stehe noch in seinem Keller. «Ich könnte gleich wieder gehen», sagt er mit einem Schmunzeln.
Ritter-Elkuch Zentimeter nach der Olympiasiegerin
Zweifache Olympioniken im Radsport sind Yvonne Ritter-Elkuch und Patrick Matt. Wie heute Romano Püntener war auch Yvonne Elkuch bei ihrer ersten Olympiateilnahme 20 Jahre jung. «Für mich war es damals ein riesengrosses Ziel, ein Kindheitstraum, der für mich in Erfüllung ging», erzählt sie. Im März die Matura abgeschlossen, konnte sie sich ein halbes Jahr auf Olympia vorbereiten. Im flachen Rennen entschied der Sprint des Hauptfeldes auf der zehn Meter breiten Zielgeraden das Rennen. Beim Kopf-an Kopf-Rennen kam die Liechtensteinerin um Zentimeter nach der Olympiasiegerin als 17. ins Ziel. Mit 15 Jahren fuhr Yvonne Elkuch ihre erste Weltmeisterschaft und setzte sich für die internationale Olympiaqualifikation unter anderem bei der Norwegenrundfahrt 1988 gut in Szene und startete später beim Giro d I’talia 1993 und der Tour de France feminin 1996. «Dennoch waren die Olympischen Spiele mit der weiten Reise nach Südkorea und allem Drumherum der Wahnsinn. Fahnenträgerin von Liechtenstein zu sein vor 80 000 Menschen und die Asiaten, die immer wieder Fotos von uns Athleten machen woll-ten. Das werde ich nie vergessen.» Danach fuhr die Athletin aus Schellenberg zusammen mit der Schweizerin Luzia Zberg in der internationalen Profimannschaft Helvetia, besuchte die Physiotherapieschule. Auch hinsichtlich der Olympischen Spiele in Barcelona trainierte sie gut, sass aber tagsüber vielfach in der Schule und war sich nicht an die Hitze gewohnt, die in Barcelona mit 36 Grad herrschte. Sie belegte Rang 47 und war damit in der ersten Ranglistenhälfte klassiert.
Die Raddelegation von 1988 (von links): Betreuer Helmut Gopp, Patrick Matt, Yvonne Elkuch, Louis Oehri vom NOK und Peter Hermann.
Exotisch, reglementiert und südlich lässig
«Ich wurde von meinem Vater mit dem Radvirus infiziert. Er war an den Olympischen Spie – len in München und Montreal als Betreuer dabei. Das faszinierte mich als kleiner Junge», erzählt Patrick Matt. Er startete als Gymnasiast 1988 bei der 4000-Meter-Einzelverfolgung. Wie auch Peter Hermann fuhr er das Strassenrennen. Ein Sturz bei der Verpflegung beendete das Olympia-Abenteuer aber jäh. Rückblickend hat Matt Seoul als «exotisch, aber cool» in Erinnerung. Bezüglich Akklimatisation habe es damals kaum Erfahrungen gegeben und alles sei improvisiert gewesen: «So assen wir um Mitternacht das Nachtessen.» Vier Jahre später, Matt war inzwischen als Architekturstudent an der ETH, war klar, dass er neben dem Studium nicht mehr sehr lange Leistungssport betreiben konnte. Er war oft mit der Schweizer Bahn-nationalmannschaft unterwegs und fuhr die Limite in einem Trainingslager in München. Die Verantwortlichen hatten nicht mehr mit Matt gerechnet. So war er selber an Olympia «men-tal entspannt». Er klassierte sich als 19. von 30 Fahrern in der 4000-Meter-Verfolgung. In der Qualifikation des Punktefahrens verhedderten sich vor ihm zwei Fahrer mit den Lenkern. Der Athlet aus Mauren konnte nicht mehr ausweichen, stürzte ins Flache und prellte die Hüfte. «Ich bin an Olympia und fahre weiter», sagte er sich und qualifizierte sich als Dritter für das Finale. Dort belegte er schliesslich Rang 17 von rund 24 Fahrern: «Das war ein schöner Karriereabschluss.» Im Gegensatz zu Seoul, wo er alles als reglementiert erlebte, sei Barcelona viel freier gewesen: «Das Olympische Dorf war direkt am Meer, alles rundherum richtig lässig.»
Romano Püntener soll Olympia geniessen können
32 Jahre nach Yvonne Ritter-Elkuch und Patrick Matt wird am kommenden Montag, 29. Juli, wieder ein Sportler des Liechtensteiner Radfahrerverbandes bei einem Olympiarennen an den Start gehen. Adolf Heeb verfolgt die Karriere von Romano Püntener mit grossem Interesse: «Mir gefällt, dass er nicht nur ein sportlicher, sondern auch ein sehr freundlicher Typ ist, und ich hoffe, dass er am Olympiarennen im grossen Feld der starken Fahrer mitmischen kann.» «Schön, dass es wieder ein Liechtensteiner Radsportler schafft», freut sich LRV-Präsident Paul Kind, der hofft, dass Püntener die Olympia-Erfah-rungen in seiner weiteren Karriere noch oft nutzen kann. Peter Hermann ist fasziniert von Pünteners Rennen und wünscht ihm wie auch Yvonne Ritter-Elkuch und Patrick Matt viel Rennglück: «Dass er sich nicht verkrampft, seine Leistung abrufen kann, das nötige Wettkampfglück hat und Olympia schliesslich auch geniessen kann.»